Was sind Werte – wie ist die Definition?
Bevor wir uns tiefer mit Werten, Teamregeln und Prinzipien in der Teamentwicklung beschäftigen, werfen wir zunächst einen Blick auf die allgemeine Definition von Werten. Was sind Werte überhaupt?
Werte sind Gefühle, die ein bestimmtes Verhalten angenehm oder unangenehm machen – so formuliert es zumindest Gerhard Wohland. Nach Ansicht von Hans Joas sind sie attraktiv-motivierend und erschließen den Beteiligten neue Handlungsmöglichkeiten – im Gegensatz zu Normen, die bestimmte Handlungen ausschließen.
Agile Werte sind die bekanntesten Vertreter in der Teamentwicklung
Als Methode in der Teamentwicklung, aber auch in Form agiler Werte und Prinzipien sind dir Werte wahrscheinlich bereits schon mal begegnet. Schließlich bringen Vorgehensweisen wie Scrum oder Kanban eigene (agile) Werte wie beispielsweise Fokus, Respekt, Mut, Offenheit und Hingabe mit, die Teams, die jene Vorgehensweisen einsetzen, leben sollen.
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Warum braucht es Werte, Teamregeln oder Prinzipien?
Genau diese Frage habe ich mir gestellt, als ich damals mein erstes richtiges Team in der Rolle als Team-Coach übernommen habe.
Eine Kollegin bot mir an, eine Wertediskussion mit meinem neuen Team und mir zu führen und Werte oder Teamregeln zu erarbeiten. Ein paar Tage später saß ich in einem Workshop und beobachtete, wie erwachsene Menschen über Werte diskutierten. Mein Gedanke damals: Wozu machen wir das? Ist das nicht totale Zeitverschwendung? Halten wir uns gleich noch an den Händen und sagen uns, wie lieb wir uns haben?
Ich muss zugeben: Ganz so schlimm wurde es glücklicherweise doch nicht.
Einige Wochen später musste ich mir sogar eingestehen, dass ich mit meinen Gedanken falsch gelegen hatte. Die Diskussion und Erarbeitung von gemeinsamen Werten hatte sich wirklich gelohnt.
Warum sich die Erarbeitung von Werten und Teamregeln lohnt
- Die Werte haben die Erwartungen der Teammitglieder an den Umgang miteinander explizit gemacht, sodass sie wussten, was von ihnen erwartet wurde und wie sie sich verhalten sollten. Rückwirkend betrachtet glaube ich, dass uns das einige Konflikte erspart hat.
- In meiner Rolle als Team-Coach haben mir die Werte und Regeln geholfen, Werteverletzungen zu thematisieren und die Teammitglieder auf eben diese Werte hinzuweisen. Sei es in Einzelgesprächen oder in Terminen des Teams wie beispielsweise der Retrospektive.
- Ich selbst konnte die Werte vorleben, wodurch ich einen schnellen Zugang zu den Teammitgliedern für persönliche Gespräche gefunden habe.
- Ich konnte gegenüber Außenstehenden die Werte des Teams vertreten und sie – wenn notwendig – darauf hinweisen, dass ihr Verhalten im Umgang mit dem Team zu Konflikten führen könnte.
Kurz gesagt: Wenn du Werte, Teamregeln oder Teamprinzipien gemeinsam mit deinem Team erstellst, sorgst du dafür, dass viele Aspekte und Erwartungen im Umgang miteinander explizit gemacht werden und deinen Teammitgliedern wichtige Leitplanken für die gemeinsame Zusammenarbeit geben.
Erst mit Werten können sich die psychologische Sicherheit und Haltung entwickeln
Auch im Modell für nachhaltige Teamentwicklung nehmen Werte als eines der fünf Entwicklungsfelder eine wichtige Rolle ein. Mithilfe von Werten oder entsprechender Teamregeln können sich die psychologische Sicherheit deines Teams und Haltungen wie Lösungsorientierung und das Streben nach kontinuierlicher Verbesserung erst entwickeln.
Gut formulieren, verinnerlichen und leben!
Dafür reicht es jedoch nicht, Werte wie “Pünktlichkeit” oder “Offenheit” auf Hochglanzposter oder Kaffeetassen zu drucken oder deinen Teammitgliedern die agilen Werte vorzulesen. Damit sich die psychologische Sicherheit und die Haltung deines Teams entwickeln können, müssen deine Teammitglieder die Werte oder Teamregeln entsprechend gut formulieren (sprich: alle Teammitglieder wissen, was mit dem Wert gemeint ist), verinnerlichen und auch wirklich leben. Was du dafür wissen musst, beschreibe ich dir im weiteren Verlauf dieses Artikels.
Werte, Teamregeln oder Prinzipien – was denn jetzt?
Obwohl es in diesem Artikel um Werte in der Teamentwicklung geht, habe ich häufiger von Teamregeln und Teamprinzipien gesprochen. Was solltest du also mit deinem Team erarbeiten? Werte, Teamregeln oder doch Teamprinzipien?
Die Antwort: Das kommt auf dein Team an – oder anders formuliert: Jedes Team ist anders. Dennoch möchte ich dir einige Impulse mitgeben, die dir helfen sollen, mit deinen Teammitgliedern die richtige Entscheidung zu treffen.
Werte lassen Raum für Interpretation
Werte oder agile Werte an sich sind zunächst nur (einzelne) Worte. Worte, die von jedem deiner Teammitglieder unterschiedlich interpretiert werden können. Wenn sie beispielsweise Pünktlichkeit als Wert aufschreiben, wird ein Teammitglied zehn Minuten früher kommen, während ein anderes eine dreiminütige Verspätung als pünktlich erachtet.
Damit sind Konflikte vorprogrammiert und die Werte in meinen Augen wenig oder sogar gar nichts wert. Schließlich ging es doch darum, dem Umgang deiner Teammitglieder miteinander einen guten Rahmen zu geben, oder?
Werte mit Leitfragen konkretisieren und verständlich machen
- 1. Woran (oder: in welchen Situationen) merkt ihr, dass dieser Wert erfüllt oder eingehalten wurde?
- 2. Woran (oder: in welchen Situationen) merkt ihr, dass gegen diesen Wert verstoßen wurde?
Die Antworten auf diese Fragen machen die Erwartungshaltung, die hinter den Werten steckt, explizit und transparent. Wenn du sicherstellst, dass deine Teammitglieder diese Fragen beantworten, können ihnen Werte dabei helfen, ihren Umgang miteinander zu gestalten.
Teamprinzipien und Teamregeln statt Wertediskussionen
Auch, weil (agile) Werte manchmal viel Raum für Interpretationen lassen, mögen nicht nicht alle Teams eine Wertediskussion. Insbesondere in der IT habe ich die Erfahrung gemacht, dass derartige Teams lieber über Teamregeln oder Teamprinzipien sprechen als über Werte. Regeln oder Prinzipien implizieren bereits, dass hier nicht einzelne Worte notiert werden, sondern konkrete Situationen, in denen etwas von einem Teammitglied oder dem Team erwartet wird.
Eines meiner Teams hatte zum Beispiel ein Teamprinzip wie folgt formuliert: “Wenn sich kein anderes Team kümmert, kümmern wir uns um das Problem. Wir sind die Kümmerer des Projekts.”
In der Praxis sorgte das dafür, dass sich die Teammitglieder um den Ausfall der produktiven Umgebung auch dann gekümmert haben, wenn eigentlich ein anderes Team als Notfallhilfe eingeteilt oder die Ursache des Problems gewesen ist. Der schöne Effekt: Ein simples “Habt ihr das schon gesehen oder sollen wir euch helfen?” meines Teams half, die produktiven Ausfallzeiten deutlich zu verringern.
Prinzipien als Alternative zu Teamregeln
Einige Teams tun sich nicht nur mit Wertediskussionen, sondern auch mit Teamregeln schwer.
In solchen Fällen haben die Teammitglieder mir gegenüber den Standpunkt vertreten, dass sie schließlich alt genug seien und keine Regeln mehr bräuchten. Der Widerstand der Teammitglieder bezog sich somit nicht darauf, dass sie nicht über ihre gemeinsame Zusammenarbeit sprechen wollten, sondern eher darauf, dass Regeln erarbeitet und ihnen dann vorschreiben sollten, was zu tun wäre.
Aus dieser Diskussion ist die Idee der Teamprinzipien entstanden. Prinzipien haben nicht den harten Charakter von Regeln (gegen die man verstoßen kann), sondern sollen deinen Teammitgliedern die Möglichkeit geben, in einer Situation die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Frei nach dem Motto: Ausnahmen bestätigen die “Regel”.
Finde die passende Lösung für dein Team
Was ist also mit deinem Team? Überlege dir, was für dein Team passen könnte: Werte, Teamregeln oder doch Teamprinzipien? Wo könnten deine Teammitglieder Vorbehalte haben? Wo nicht? Sprich offen mit ihnen über die verschiedenen Möglichkeiten. Ich bin mir sicher, dass ihr einen gemeinsamen Weg finden werdet.
Wie du Werte und Teamregeln mit deinem Team erarbeiten kannst
Die Erarbeitung kann wahlweise in einem extra dafür organisierten Termin oder in der Retrospektive deines Teams stattfinden. Für die Erarbeitung von Werten, Teamprinzipien und Teamregeln nutze ich in meinen Teammitgliedern gern zwei Leitfragen, die du gern verwenden kannst.
- 1. Was ist dir persönlich im Umgang miteinander wichtig?
- 2. Wie müsstet ihr als Team zusammenarbeiten, damit ihr erfolgreich seid?
Sicherstellen, dass alle Teammitglieder zu Wort kommen
Wie genau ich diese Leitfragen nutze, hängt von dem jeweiligen Team ab. Nur so viel: Nach einer individuellen Einzel-Reflexionsphase erfolgt bei mir häufig ein Austausch in Kleingruppen oder mit dem gesamten Team, um die einzelnen Antworten zusammenzutragen.
Nachdem alle Antworten geclustert wurden, empfehle ich dir, eine Widerstandsabfrage für die einzelnen Werte, Teamregeln oder Teamprinzipien zu machen. Über ein einzelnes Veto kann gemeinsam diskutiert werden. Wenn zwei oder mehr Teammitglieder sich gegen etwas entscheiden, wird der Wert, die Regel oder das Prinzip von der Liste gestrichen.
Ergebnisse einfach und schnell zugänglich machen
Abschließend ist es wichtig, dass du die Ergebnisse dokumentierst. Beispielsweise im Intranet oder an anderer Stelle, an der die Teammitglieder schnell auf die neuen Teamwerte oder Teamregeln zugreifen können.
6 Schritte, die dir helfen, Werte und Teamregeln mit Leben zu füllen
Ich habe dir im Verlauf dieses Artikels bereits beschrieben, dass es nicht ausreicht, die Werte oder Teamregeln deines Teams auf Poster zu malen. Viel mehr musst du dafür sorgen, dass sie mit Leben gefüllt werden. Erst dann haben sie einen Sinn und können ihre volle Wirkung in der Entwicklung deines Teams entfalten.
Aber wie kannst du das erreichen?
Hierfür habe ich dir sechs Schritte zusammengestellt, die dir helfen, Werte und Teamregeln mit Leben zu füllen. Wie immer, gilt auch hier: Jedes Team ist anders. Deshalb überlege dir, welche der Schritte in deinem Team wirklich Sinn machen – und welche nicht.
- 1. Erarbeite den passenden Rahmen für dein Team: Was hilft deinen Teammitgliedern – Werte, Teamregeln oder Teamprinzipien?
- 2. Dokumentiere die erarbeiteten Ergebnisse dort, wo sie deine Teammitglieder schnell und einfach sehen / finden können.
- 3. Sei ein Vorbild: Lebe die Werte oder Teamregeln vor.
- 4. Sei für Werteverletzungen aufmerksam und sprich diese aktiv an, damit deine Teammitglieder entscheiden können, wie sie mit derartigen Situationen zukünftig umgehen wollen.
- 5. Reflektiere regelmäßig mit deinem Team darüber, ob die Werte oder Teamregeln noch aktuell sind.
- 6. Integriere die Werte oder Teamregeln in das offizielle Onboarding neuer Teammitglieder, damit diese auch frühzeitig Bescheid wissen. Möglicherweise bringen diese neue Ansichten ins Team, sodass die Werte überarbeitet werden müssen.