Was steckt hinter dem Handlungsfeld Wissen?
Mit dem Handlungsfeld Wissen im Modell für nachhaltige Teamentwicklung ist das Wissen gemeint, das jedes deiner Teammitglieder einbringt und das notwendig ist, damit sie als Team ihre gemeinsamen Ziele erreichen können. Konkret müssen deine Teammitglieder deshalb nicht nur Fachwissen, sondern auch die Arbeitsmethodik sowie die Prinzipien und Praktiken der Zusammenarbeit kennen und beherrschen – ein wichtiger Bestandteil unserer Team Definition.
Fachliches Wissen
Um ihre Aufgaben überhaupt bearbeiten zu können, benötigen deine Teammitglieder fachliches Wissen. Lass' mich an drei Praxisbeispielen verdeutlichen, was ich damit meine:
- 1. Teams in der Sachbearbeitung
- 2. Teams in der Softwareentwicklung
- 3. Teams in Arztpraxen
1. Teams in der Sachbearbeitung
Wenn dein Team in der Sachbearbeitung tätig ist, müssen deine Teammitglieder unter anderem Wissen in internen Arbeitsabläufen und Gesetzen haben, damit sie Kundenanfragen zeitnah, korrekt und effizient bearbeiten können.
2. Teams in der Softwareentwicklung
Teams in der Softwareentwicklung benötigen hingegen Wissen in Programmiersprachen, Entwicklungsumgebungen und Architekturen von IT-Systemen.
3. Teams in Arztpraxen
Ist dein Team für den reibungslosen Ablauf einer Arztpraxis verantwortlich, benötigen deine Teammitglieder für ihre Arbeit beispielsweise Wissen in der Bedienung der Software zur Vereinbarung von Terminen sowie in der Führung einer Praxis und im Umgang mit Patienten.
Du siehst: Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen und auch beim Handlungsfeld Wissen ist jedes Team anders. Schließlich braucht ein Team das Wissen, das zum Tätigkeitsbereich und den eigenen Zielen passt.
Tipp: Mache dir mit deinen Teammitgliedern darüber Gedanken, welches Fachwissen sie benötigen, um ihre gemeinsamen Ziele zu erreichen. Anschließend können sich die Teammitglieder individuell und gegenseitig einschätzen: Ist das notwendige Wissen vorhanden? Wenn ja, in welchem Maße? Hieraus lassen sich später weitere Maßnahmen wie Arbeit in Tandems oder auch ein Besuch von entsprechenden Trainings ableiten.
Methodisches Wissen
Zum methodischen Wissen gehören die Prinzipien und Praktiken der Zusammenarbeit. Darunter verstehen wir Prozesse, Wege und Vorgehensweisen, die dein Team einsetzt, damit es gut und effizient miteinander arbeiten kann. Das können selbst erarbeitete Vorgehensweisen und Prozesse sein, aber auch bekannte Frameworks wie beispielsweise Scrum oder Kanban.
Wenn du ein Scrum Team oder ein agiles Team begleitest, müssen deine Teammitglieder unter anderem den Sinn und Zweck eines Daily-Standups und einer Retrospektive als Möglichkeit zur Verbesserung der gemeinsamen Zusammenarbeit verinnerlicht haben. Dazu gehört auch, dass sie die drei typischen Fragen eines Daily-Standups sowie die zeitliche Begrenzung von 15 Minuten verstanden haben.
Für mehr Wissen braucht es psychologische Sicherheit
Im Handlungsfeld Wissen zeigt sich erneut die Bedeutung von psychologischer Sicherheit für die Entwicklung deines Teams.
Sie ist der sichere Rahmen, in dem deine Teammitglieder zugeben können, dass ihnen Wissen fehlt, um beispielsweise einen Wortbeitrag in einer Diskussion zu verstehen oder eine Aufgabe bearbeiten zu können. Erst durch diesen offenen Umgang und dieses "Geständnis" können sie sich als Team gegenseitig dabei unterstützen, die festgestellten Wissenslücken zu schließen, um sich gemeinsam zu verbessern.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn sich Teammitglieder nicht psychologisch sicher fühlen, werden sie nicht zugeben, dass ihnen Wissen fehlt. Ein toxisches Arbeitsumfeld könnte sie sogar dazu verleiten, fehlendes Wissen zu verschleiern oder so zu tun, als hätten sie es. Hierdurch kann sich dein Team nicht verbessern und es tritt auf der Stelle.
Wissen wird erst durch Erfahrung wirklich wertvoll
In meinem Artikel über das Modell für nachhaltige Teamentwicklung habe ich verdeutlicht, dass die Handlungsfelder keine Reifegerade oder Phasen wie die im Tuckman Phasenmodell sind. Es geht also nicht darum, sie nacheinander zur Perfektion zu entwickeln, sondern sie helfen dir, die Ursachen für das Verhalten deiner Teammitglieder zu verstehen. Anschließend kannst du den einzelnen Handlungsfeldern mithilfe entsprechender Teamentwicklungsmaßnahmen abwechselnd Schübe verleihen, damit sich dein Team schrittweise weiterentwickelt. Dieser Ablauf ist ein wichtiger Bestandteil unserer JTIA-Methode.
Zurück zu den Handlungsfeldern, die keine Reifegerade oder Phasen sind: Besonders deutlich wird dies im Handlungsfeld Wissen. Schließlich wird das Wissen (die Theorie) erst mit gemachten Erfahrungen so richtig wertvoll, weil deine Teammitglieder immer besser verstehen, wie sie ihr theoretisch Wissen möglichst effizient und praktisch einsetzen können. Wenn du beispielsweise an ein Team in der IT denkst: In den meisten Programmiersprachen gibt es 100 Wege, die zum Ziel führen. Bei Schulungen, die deine Teammitglieder besuchen, werden sie weitere Wege gezeigt bekommen. Aber erst durch Verproben, ausprobieren und dem sammeln von Erfahrungen werden sie einen Weg für sich als Team finden, den sie zukünftig gemeinsam nutzen werden, um effizient Fortschritte erzielen zu können.
Übrigens: Aus der Erfahrung, die deine Teammitglieder machen, wächst meistens der Wunsch nach mehr Wissen. Schließlich hat das neue Wissen doch ganz gut geholfen, oder?
Verteiltes Wissen statt Wissensinseln
Deine einzelnen Teammitglieder müssen nicht unbedingt alles wissen, solange sie sich bei ihrer täglichen Arbeit gegenseitig unterstützen und helfen können. Aus diesem Grund solltest du darauf achten, dass dein Team eine Haltung der Zusammenarbeit entwickelt und lebt.
Wissensinseln oder Aufgaben, die nur ein einzelnes Teammitglied erledigen kann, weisen eher auf einen zusammengewürfelten Haufen als auf ein richtiges Team hin – unabhängig davon, dass Wissensinseln wenig hilfreich für eine erfolgreiche Teamarbeit sind. Schließlich werden sie früher oder später für dein Team zur Herausforderung, wenn eines der Teammitglieder im Urlaub ist oder krankheitsbedingt ausfällt, sodass niemand einspringen und übernehmen kann. Sind sind somit ein wichtiger Faktor, der über den Erfolg eines Teams oder auch für Teamprobleme sorgen kann.
Derartige Teams entstehen häufig nach gut gemeinten Umstrukturierungen, in denen die bisherige Teamstruktur verändert wird – meist in der Hoffnung, aus den bisherigen Einzelkämpfern und Experten ein schlagkräftiges Team zu formen.
In solchen Fällen habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, im Rahmen meiner Teambildung mit den Teammitgliedern an einer Skill-Matrix zu arbeiten. Hierdurch wurden benötigte und vorhandene Fähigkeiten transparent, sodass die Teammitglieder Fähigkeiten festlegen konnten, an denen sie arbeiten und in denen sie sich gemeinsam verbessern wollten.