Was ist Selbstorganisation – wie ist die Definition?
In den letzten Jahren hat ein Thema in Teams und Organisationen immer mehr an Bedeutung gewonnen: Selbstorganisation. Doch was bedeutet dieser Begriff eigentlich?
Meine Definition von Selbstorganisation:
<div class="definition">Selbstorganisation bedeutet, dass Teams oder Teammitglieder eigenverantwortlich Entscheidungen treffen, Aufgaben planen und ihre Arbeitsabläufe gestalten – ohne Rücksprache mit Dritten. <br/><br/>Sie basiert auf der Idee, dass Menschen die Fähigkeit besitzen, ihre Arbeit selbstständig und effektiv zu organisieren, um ihre Ziele zu erreichen. <br/><br/>Selbstorganisierte Teams zeichnen sich durch Autonomie, klare Verantwortungsübernahme und ein hohes Maß an Eigeninitiative aus.</div>
Im Alltag bedeutet Selbstorganisation, dass dein Team selbst bestimmt, wie es seine Teamarbeit organisiert, Prioritäten setzt und Aufgaben löst. Die dafür notwendigen Entscheidungen werden eigenverantwortlich im Team getroffen – ohne auf Vorgaben oder Genehmigungen von außen zu warten. Es geht darum, den Teams die Freiheit und die Verantwortung zu geben, ihre Ziele eigenständig zu verfolgen. Das Ergebnis ist eine Arbeitsweise, die auf klaren organisatorischen Rahmenbedingungen und Absprachen sowie auf gegenseitigem Verständnis und Vertrauen im Team beruht.
Welche Vorteile hat Selbstorganisation?
Selbstorganisation bietet Teams und Organisationen viele Vorteile, die sich positiv auf die Zusammenarbeit und die Zielerreichung auswirken. Ein selbstorganisiertes Team kann schneller auf Veränderungen reagieren und flexibel agieren, da Entscheidungen dort getroffen werden, wo das Problem auftritt und das Wissen vorhanden ist – bei den Expertinnen und Experten im Team. Dadurch entstehen oft schnellere und bessere Lösungen, die den größten Mehrwert für die Kundinnen und Kunden schaffen.
Darüber hinaus erhöht Selbstorganisation die Wahrscheinlichkeit, dass Teamziele erreicht werden. Wenn Teams Verantwortung für ihre Arbeit übernehmen, führt dies zu einem stärkeren Engagement und einer klareren Ausrichtung auf gemeinsame Ziele. Risiken bei der Zielerreichung können so im Team erkannt und umgangen werden, indem gemeinsam entschieden wird, wie mit der Situation umzugehen ist. Gleichzeitig schafft die Freiheit, eigenverantwortlich zu arbeiten, ein attraktiveres Arbeitsumfeld, in dem die Teammitglieder Sinn und Vertrauen spüren – ein entscheidender Faktor im Wettbewerb um Fachkräfte.
Nicht zuletzt bildet Selbstorganisation eine solide Grundlage für die Entwicklung eines High Performance Teams. Wenn Teammitglieder eigenverantwortlich handeln können und gleichzeitig klare Ziele und ein gemeinsames Verständnis teilen, schaffen sie ein Arbeitsumfeld, in dem Effizienz, Kreativität und Erfolg Hand in Hand gehen.
Welche Voraussetzungen hat Selbstorganisation in Teams?
Ich habe oft erlebt, wie Organisationen plötzlich Selbstorganisation für Teams einführten – ohne klare Vorbereitung und ohne die notwendigen Rahmenbedingungen. Das Ergebnis war fast immer dasselbe: Nach wenigen Wochen blieben die erhofften Veränderungen aus. Die Teams trafen keine Entscheidungen, übernahmen keine Verantwortung und verharrten in alten Mustern. Warum? Meist fehlte es an organisatorischen Leitplanken, psychologischer Sicherheit oder anderen grundlegenden Faktoren, die Selbstorganisation überhaupt erst möglich machen.
Damit Selbstorganisation in Teams funktioniert, braucht es bestimmte Voraussetzungen:
- Psychologische Sicherheit: Ohne das Gefühl von psychologischer Sicherheit werden die Teammitglieder keine Entscheidungen treffen oder Verantwortung übernehmen, weil sie Angst vor den möglichen Konsequenzen haben. Ein sicherer Rahmen ist daher entscheidend.
- Ein klares Ziel: Das Team braucht ein gemeinsames Ziel, das von den Teammitgliedern als erstrebenswert und erreichbar wahrgenommen wird. Nur dann werden sie sich dafür einsetzen.
- Entscheidungskompetenz: Teams müssen in der Lage sein, die für eine Zielerreichung notwendigen Entscheidungen selbst zu treffen. Fehlt diese Kompetenz, fehlen Methoden zur Entscheidungsfindung oder muss auf Dritte gewartet werden, wird Selbstorganisation nur bedingt funktionieren.
- Transparenz: Offene Kommunikation und Informationsaustausch sind unabdingbar. Nur wenn alle relevanten Informationen verfügbar sind, können Teams fundierte Entscheidungen treffen.
- Selbstreflexion: Regelmäßige Retrospektiven oder andere Formate der Reflexion sind unerlässlich, um kontinuierlich zu lernen und sich weiterzuentwickeln.
- Weiterbildung und Training: Teammitglieder und Führungskräfte brauchen die richtigen Fähigkeiten, um ihre neuen Rollen zu meistern und hilfreiche Entscheidungen zu treffen.
Selbstorganisation erfordert oft auch tiefgreifende Veränderungen in Organisationen. Zum Beispiel müssen Prozesse vereinfacht und Strukturen angepasst werden, damit Teams ihre Entscheidungskompetenzen und Fähigkeiten tatsächlich nutzen können. Der Weg dorthin ist nicht immer einfach, aber der langfristige Nutzen für Teams und Organisationen entschädigt dafür.
Was passiert mit Führung?
Eine der häufigsten Fragen, die ich zum Thema Selbstorganisation höre, lautet: „Wird Führung dadurch überflüssig?“ Die kurze Antwort lautet: Nein. Führung verschwindet nicht – sie verändert sich. Selbstorganisierte Teams brauchen weiterhin Führung – aber nicht im klassischen Sinne. Führung wird flexibler, verteilter und geteilter. Sie ist keine feste Position mehr, sondern eine Rolle, die je nach Situation oder Expertise von unterschiedlichen Teammitgliedern übernommen wird.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Entscheidungen werden von denjenigen getroffen, die das nötige Wissen und die Kompetenz mitbringen, was zu besseren Lösungen führt. Außerdem stärkt diese Art der Führung das Engagement und das Zugehörigkeitsgefühl der Teammitglieder, da sie mehr Verantwortung übernehmen und aktiv zum Erfolg beitragen können.
Führungskräfte geben nicht mehr jede Entscheidung vor, sondern schaffen die Rahmenbedingungen, damit das Team eigenverantwortlich handeln kann. Sie stellen sicher, dass das Team über die notwendigen Ressourcen, Kompetenzen und Informationen verfügt, um gute Entscheidungen treffen zu können. Sie unterstützen beim Umgang mit Konflikten, setzen strategische Leitplanken und behalten die Vision der Organisation im Auge.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist ihre Vorbildfunktion. Führungskräfte in selbstorganisierten Teams leben die Werte und Prinzipien vor, die das Team stärken – wie Vertrauen, Offenheit und Verantwortungsbewusstsein. Sie müssen bereit sein, Kontrolle abzugeben und gleichzeitig die Balance zwischen Autonomie und Orientierung zu halten. Manchmal ist das in der Realität nicht so einfach – hier kann die Unterstützung und Begleitung durch einen Agile Coach helfen, den bisherigen Führungskräften neue Perspektiven aufzuzeigen und sie bei der Veränderung der eigenen Rolle zu begleiten.
Selbstorganisation funktioniert also nicht ohne Führung. Sie braucht eine neue Art der Führung, die von der Seite führt und, die nicht dominiert, sondern inspiriert, unterstützt und stärkt. Ein People Lead ist ein Beispiel für diese Art der Führung.
Wie schafft man selbstorganisierte Teams?
Selbstorganisation in Teams entsteht nicht von heute auf morgen. Sie erfordert gezielte Maßnahmen sowohl auf der Ebene der Organisation als auch im Team selbst. Um sie auf Teamebene zu ermöglichen, müssen zunächst in der Organisation die Voraussetzungen geschaffen werden, die ich in diesem Artikel beschrieben habe. Konkret bedeutet dies:
- Gemeinsame Werte & Regeln in der Organisation erarbeiten und leben
- Prozesse zu verschlanken
- Entscheidungen zunehmend von höheren Ebenen (wie der Geschäftsführung) auf die Teamebene zu verlagern
- Eine Haltung der kontinuierlichen Verbesserung zu leben
- Einen sicheren Rahmen schaffen, in dem Entscheidungen getroffen und Experimente gewagt werden können, ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen
- Bestehende persönliche Zielvereinbarungen abschaffen, da sie zu Interessenskonflikten führen und damit früher oder später die Selbstorganisation behindern
Viele Teammitglieder sind es nicht gewohnt, selbstorganisiert zu arbeiten, da sie in der Vergangenheit wenig Entscheidungsverantwortung tragen mussten. Hier helfen Trainings auf Teamebene, um Kompetenzen wie Entscheidungsfindung, Kommunikation und Konfliktlösung zu stärken. Außerdem ist es wichtig, regelmäßig mit dem Team zu reflektieren – zum Beispiel in Retrospektiven – um gemeinsam zu erkennen, was gut läuft und was verbessert werden kann.
Bitte bedenke, dass diese Liste nur einige Beispiele für viele andere Themen sind, die in deiner Organisation angesprochen werden müssen, damit Selbstorganisation überhaupt möglich ist. Wir beide wissen, dass nicht nur jedes Team, sondern auch jede Organisation anders ist. Deshalb gibt es auch kein Patentrezept für selbstorganisierte Teams oder Organisationen – jede Organisation hat ihre eigenen Herausforderungen und muss daher mit individuellen Maßnahmen entwickelt werden.
Ein bewährter Ansatz, um Teams schrittweise in Richtung Selbstorganisation zu entwickeln, ist die JTIA-Methode. Sie hilft, Teams individuell und nachhaltig zu entwickeln, statt auf allgemeine Konzepte zu setzen, die nicht zu den Bedürfnissen des Teams passen.
Die JTIA-Methode besteht aus:
- Einer Teamdefinition
- Zwei Leitfragen
- Dem Modell für nachhaltige Teamentwicklung
- Einem Regelkreis für die praktische Anwendung in vier Arbeitsschritten
Wie du die JTIA-Methode konkret anwenden kannst, haben wir dir im verlinkten Artikel beschrieben. Du wirst sehen: So wie mit der JTIA-Methode hast du noch kein Team zur Selbstorganisation weiterentwickelt!